Die Umgebung rund um den Standort des “K3 Project Space” (Maag Areal) verändert sich mit weitreichenden Konsequenzen. Genau an dieser Stelle in der Stadt Zürich sind die Phänomene der Gentrifizierung beonders sichtbar. Wo noch vor kurzer Zeit Fabrikarbeiter in muffigen Kantinen zu sehen waren, gab es in den 1990er Jahren eine Durchmischung. Nach und nach verlagerte die Industrie ihre Standorte. Brachen entstanden und Industriegebäude standen leer. Viele davon wurden von Kulturschaffenden genutzt. Doch die Kreativbranche wird angesichts der steigenden Liegenschaftspreise an den Stadtrand gedrängt.
Neues Leben bereichert jetzt die fertiggestellten Glaspaläste. Emsiges Treiben von Personen in Anzügen und in Deux-Pièces bestimmen jetzt das Bild, das sich vor unserem Fenster präsentiert.
Die Transparent der Glasfassaden ist trügerisch. Inwiefern sind wir überhaupt in der Lage, zu erahnen, was sich hinter den Glaswänden abspielt? Durch fragmentarische Informationen aus der Presse und durch das, was im unmittelbaren Umfeld sichtbar wird, erahnen wir eine fremde, nicht greifbare Welt.
Die Ausstellung erzeugt ein puzzleartiges Bild, das sich in vielfältiger Weise direkt auf diese Veränderungen bezieht. Der stetig wachsende Wirtschaftsstandort Zürich wird kritisch befragt. Welche Auswirkungen hat das geheimnisvolle Treiben hinter den Glasscheiben? Was empfinden wir gegenüber dieser unmittelbaren Präsenz globaler Finanzakteure?
Künstler als forschende, nach Zusammenhängen suchende Subjekte, die keiner einschränkenden Methode untertan sind, gehen eigene Wege, um den wahrgenommenen Zeichen Ausdruck zu verleihen. Die methodische Unabhängigkeit eröffnet einzigartige Sichtweisen auf das Zusammenprallen von städtebaulichen Veränderungen und globalisierter Wirtschaft. (…)
Susanne Sauter 2012, Auszug aus dem Pressetext zur Ausstellung "Durchblicken und Abprallen", K3 Project Space, Zürich
Eine Ansammlung von Baumaterialien – scheinbar provisorisch hingestellt – fordert die bisher unangetastete Ordnung des Innenhofes heraus. Spätestens auf den zweiten Blick offenbaren die deponierten Werkelemente ihre künstlich angelegte Zufälligkeit: Ihrerseits reproduzieren sie das Serielle der Gebäudestruktur in der mehrfachen Kopierung. Hat die Architektur die Macht übernommen und unterwirft von nun an alles andere ihrer Rasterung und ihrem Muster? Die Assemblagen befragen in ihrer zur Schau gestellten Vervielfältigung auf humorvolle und etwas absurde Weise nicht nur die umgebende Architektur in ihrer Standardisierung: In mehrfach identischer Gegenüberstellung werden Grössenordnungen menschlicher Masse und Kräfte ins Verhältnis zur Architektur gesetzt. Andeutungen von Arbeit, ihrer Organisation und ihren Pausen, das Normative in der Wiederholbarkeit, aber auch «Copy-Paste-Welten» stapeln sich bildhaft vielschichtig gelagert in den kleinen Baustellensettings. In Betrachtung der Formalisierung und dem Spannungsfeld vom Einzelnen zum seriellen Kollektiv können zudem Fragen im Zusammenhang mit dem Bildungssystem ins Zentrum rücken. Es klingen Übungssequenzen, sich wiederholende Tätigkeiten, vorformatierte und gleichgeschaltete Abläufe, subjektive wie kollektive Anstrengungen an, gleichzeitig zeigt sich vielfacher Aufbruch in eine noch nicht fertig gebildete Zukunft.
Andrina Jörg 2017, Saaltext zur Installation im Lichthof des Hochschulcampus FHNW Brugg
"(...) Muriel Baumgartners Selbstporträt als Holzbüste mag demgegenüber als Kontrast erscheinen, obwohl der Titel "Innendurchmesser" ebenfalls auf einen Hohlraum verweist. Sie steht sperrig im Eingang des Raums, mit verdecktem Gesicht, in ein mit Einschlüssen und Rissen durchsetztes Holz geschnitten. Grob bis fein gearbeitet, ist sie von unterschiedlichen Stilelementen durchzogen: aus einem natürlich wirkenden Pferdeschwanz treten zu den Schläfen hin manieristisch geschnitzte Haarkringel hervor; die Partie über der Stirn wirkt mittelalterlich; Oberarme und Brustkorb sind mit den Spuren von Motorsäge und grossen Stechbeiteln grob belassen; die Hände wurden nahezu naturalistisch ausgearbeitet. Angesichts des Stilmixes macht sich ein leiser Schauer breit. Die Künstlerin führt uns aber nicht bloss Beliebigkeit vor, sondern eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem Handwerk, das sie sich selbst aneignete, und der Verlorenheit angesichts der stilistischen Referenzen in der Geschichte der Bildhauerei. Die Arbeit verweist auf das klassische bildhauerische Porträt, entzieht sich aber gleichzeitig dessen Kernaufgabe und stellt stattdessen Fragen nach den Möglichkeiten von Bildhauerei im zeitgenössischen Kunstbetrieb. Darauf verweist auch die Geste mit den Händen vor dem Gesicht. Eine weitere Bedeutungsebene klingt an: Das Selbstporträt schwankt zwischen sehen, nicht sehen und nicht gesehen werden wollen. Es ist über ein Jahr hinweg entstanden und steht gleichermassen für Momente der Introspektion und künstlerischen Selbstreflexion."
Marc Munter 2010, Auszug aus dem Pressetext zur Ausstellung "Plastische Lücken", Kaskadenkondensator, Basel
„Im Garten der Güter“ besteht aus zwei Installation, die dem Nachdenken über unseren Umgang mit Gütern und Waren entspringen.
(...) Die Rechenmaschine aber, der Computer kann die Wirklichkeit immer umfassender und genauer errechnen und damit simulieren. Diese Möglichkeit hat die traditionelle Wertigkeit der beiden Produktionsprinzipien, nämlich höherwertiger Natur (Fruchtbarkeit und Anpassung) und minderwertiger Künstlichkeit (technische Produktion), grundlegend verändert. Es scheint heute ohne Weiteres denkbar, ja gelegentlich bereits Tatsache, dass die errechnete, virtuelle und damit künstliche Realität einen höheren Status geniesst als die körperliche Realität. Man errechnet die Wirklichkeit und führt sie aus. Spinnt man diese Entwicklung gedanklich weiter, ist die errechnete Welt, zum Beispiel ein Algorithmus, realer als die sinnlich erlebbare Welt, was wiederum dem Weltbild von Plato und jenem der alten Inder entspricht. Beide kennen ein abstraktes Ideal aus dem die Physis abgeleitet wird. Je mehr Informationen wir sammeln, umso genauer kann die Rechenmaschine das Ideal errechnen und umso klarer erscheint das Ideal. Und bekanntlich wirken technische und abstrakte Artefakte auf den Menschen zurück und verändern ihn, besonders seine Wahrnehmung und seine Sitten in ungeahnter Weise. In diese Sinne bleibt jeder technologische Fortschritt eine Reise ins Unbekannte.
Dieser fundamental neuen Realität wendet sich Muriel Baumgartner mit einer Installation im Schlossgraben zu. Am Fuss der Burgmauer hat Baumgartner eine begehbare Turmruine aus Computergehäusen und Tastaturen gebaut. Sie steht gegenüber der Schutzmauer von Felix Arbor (Schlossburg in Arbon) und weist dieselbe Mauerstruktur auf. Die Geschichte des Computers ist ungefähr 50 Jahre alt und der 1974 erstmals hegestellte Mikroprozessor „Intel 8080“ hat dem Computer jenes Format gegeben, dass uns heute als privater oder gewerblicher Anwender heute noch bekannt ist und das seine Verwendung als Baustein ermöglicht. Die Ruine weckt Spekulationen, wie Menschen in 2000 Jahren auf unser Computerzeitalter zurückschauen mögen und wie wir im Lichte des dereinstigen Standes der Technologie und der Zivilisation dastehen werden. Vielleicht nennen uns die dereinstigen Archäologen „Intel Felix“.
Der künstlerische Akt von Baumgartner besteht hier und in zahlreichen anderen Werken im virtuos erdachten Spiel zwischen Material und Anordnung. Dabei sind formale oder materielle Ähnlichkeiten ein zentrales Element. Ein Weiteres ist das sinnhafte Spiel mit der Platzierung. Es fusst auf dem deutlichen Bezug zu örtlichen oder räumlichen Gegebenheiten (in der Halle der der Boden, im Schlossgraben das Kastell und dessen Mauerstruktur). Die beiden Arten von Beziehung, Ähnlichkeit und Spiegelung, kennzeichnen viele Werke von Baumgartner und begründen ihren einzigartigen, künstlerischen Wert.
Fabian Meier 2012, Auszug aus dem Saaltext zur Ausstellung "Im Garten der Güter", Kunsthalle Arbon
„Im Garten der Güter“ besteht aus zwei Installation, die dem Nachdenken über unseren Umgang mit Gütern und Waren entspringen.
In der Halle stellt uns Muriel Baumgartner in ein Ödland, in dem Skelettpflanzen wachsen. Durchwandern wir diese Industriebrache, empfinden wir sie, insgesamt, als natürlich und glaubhaft. Im Freien könnte es eine Steppe sein.
Wenden wir uns den Gewächsen ohne Blätter und Blüten zu, fallen die obskuren und dubiosen Grün und Brauntöne auf. Die einen erscheinen abgebrannt und verkohlt, andere wirken krank, verkrüppelt oder abgestorben, viele scheinen zu siechen, weder lebendig noch tot. Dennoch durchdringen sie einen Industrieboden in einem geschlossenen Raum und die Vorstellung liegt nahe, dass ihre Wurzeln in ölhaltigem Asphalt, in zugedecktem Sondermüll oder gar einem atomar verseuchten Boden stecken. Und was von Gift lebt und daran nicht zugrunde geht, empfinden wir als suspekt, als künstlich und unnatürlich. Wir können diese Gewächse nicht identifizieren und diese Unklarheit regt unsere Phantasie an. Diese sieht möglicherweise, Früchte manipulierten Saatgutes, morbide Floriden (florale Androiden), eine Auferstehung toter Blumen oder eine schlichte Fortsetzung der natürlichen Selektion zwecks Anpassung an ein industrielles Umfeld. Was nach einem ersten Rundgang bleibt sind Zweifel an der Echtheit und der Verdacht auf Künstlichkeit. Und in diesem Zustand des Zweifels und des Verdachts sind wir der Kunst von Muriel Baumgartner bereits erlegen.
Die Geschichte der Kunst kennt die Gattung der „Trompe l’oeil“, sie bezeichnet Werke, die traditioneller Weise Räume oder Gegenstände vortäuschen, die nicht vorhanden sind. Baumgartner täuscht eine Natürlichkeit vor, wo keine ist; und exakt diese Täuschung benennt der Titel der Ausstellung: „Im Garten der Güter“.
Muriel Baumgartner gelingt es, mit Plastikblumen in einer Industriehalle den Eindruck von Natürlichkeit zu vermitteln. Er dürfte unter Anderem durch die Anordnung der Plastikstile entstehen; sie folgt hier den Gegebenheiten des Bodens, nämlich den Löchern, den Ölflecken, den Platzwunden und anderen Gebrauchsspuren. Baumgartner lässt es dort wachsen, wo wir nach einem Regen Rinnsale vermuten und wo sich wohl Pfützen ansammeln würden. Diese offensichtliche Beziehung zwischen Gegebenem und Ergänztem ist angemessen und ausgewogen. Demselben Prinzip folgt die farbliche Anpassung der Wände an das olivgrün der eisernen Säulen. Es sind diese räumlichen und farblichen Beziehungen, die uns die Industriesteppe glaubhaft als natürlich Entstandene vortäuschen.
Die Schwierigkeit oder manchmal sogar die Unmöglichkeit zu unterschieden, was natürlich und was künstlich ist, wirkt oft bedrohlich und beschäftigt und beschäftigte Philosophen aller Zeiten. In der Medizin und in der Ernährung ist das dichte Verweben von Natur und Künstlichkeit augenscheinlich. Einmal wird es als Segen und einmal als Fluch bewertet. Am Zwiespalt des technischen Fortschritts und am Erfolg von Technologien, die die Natur kopieren, führt seit Plato kein Weg vorbei. Es scheint, als müssten wir damit leben. (...)
Fabian Meier 2012, Auszug aus dem Saaltext zur Ausstellung "Im Garten der Güter", Kunsthalle Arbon
Wie wunderbar! In der Kunsthalle Arbon holt sich die Natur ihren Platz zurück. Zwischen Rissen und Furchen wuchert es grün, da und dort ist bereits älteres Gestrüpp wieder verdorrt. Als wäre der Himmel den Pflänzchen gnädig, fallen matte Frühlingssonnenstrahlen durchs Glasdach. Nur eine Wintersaison lang brauchte die Kraft der Erde, um sich hier, wo sie einstmals vor langer, langer Zeit einen grünen Teppich bis hinunter ans nahe Seeufer bildete, wieder breit zu machen. Sie dringt durch die brüchig gewordene Oberfläche des rauhen Asphalts, mit dem man sie erstickte und – als Folge der industriellen Verseuchung – irgendwann auch breitflächig abtragen musste.
Beim Nähertreten an dieses kleine «Wunder» stellt sich schnell heraus, dass hier alles Kunst ist. Gute Kunst. Es handelt sich um die erste Ausstellung in der Kunsthalle Arbon in dieser Sommersaison, und die Zürcher Künstlerin Muriel Baumgartner hat sie eingerichtet. Ihr «Garten der Güter» ist ein Vexierbild, eine Täuschung, ist Verheissung und Apokalypse gleichzeitig.
Sie kippt unsere aufgekeimte Hoffnung, die überraschte Heiterkeit ins Erstarren, denn bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass hier pure Künstlichkeit aus dem Boden spriesst. Wo vor zwei Jahren das Künstlerduo ganzblum (Haimo Ganz und Martin Blum) mit grünen Plastik-Gemüsekisten einen monumentalen Tempel bauten, konstruiert Muriel Baumgartner ein poetisches Szenarium einer vielleicht gar nicht so weit entfernten Zukunft.
Pure Künstlichkeit
Das helle Frühlingsgrün, das da aus dem harten Asphalt ans Licht stösst, ist artifiziell, ist Plastik, ist ein zwei-, nein: ein dreifacher Loop auf eine gänzlich naturentfremdete Zukunft. Es handelt sich um «entlaubte» und «entblätterte» Stengel, Stiele und Blütenkelche von künstlichen Blumen. Die Künstlerin arrangiert sie in Gruppen auf Teerboden und entlang der deckenhohen Säulen, so, als gäbe es dort, wo es zu wachsen beginnt, feuchte Stellen für das Wurzelwerk. Doch noch im Einordnen dieser verspielten Dramaturgie der Umkehrungen springt der Gedanke: Denn das hier könnte auch die Zeit danach sein, nach der Katastrophe, nach dem Kollaps. Die Natur hätte ihren Atem ausgehaucht, Künstlichkeit wäre alles, was es noch zu haben gäbe. Künstlichkeit, die aus dem Boden spriesst, für Menschen – Zombies, auf deren Speisezettel ja womöglich Plastikblumen stehen werden.
Güter der Verblödung
Gleichzeitig hinterfragt Baumgartner mit messerklingenscharfem Blick Herstellung und Mechanismen in einer Verbraucher- und Wegwerfgesellschaft, wenn sie mit Plastikblumen operiert, die irgendwo auf der Welt unter vermutlich menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt werden – aus einem Material überdies, dessen Quellen zur Neige gehen. (...)
Brigitte Schmid-Gugler 2012, Auszug aus der Ausstellungsbesprechung im St.Galler Tagblatt Online
Ob in Lima, Manila, Lesotho oder in den Wäldern von Calais, wo bis zur polizeilichen Räumung im September 09 Sans-Papiers sieben Jahre lang auf die Überreise nach England gewartet haben: Die Slum-Hütte hat einen Baustandard irgendwo zwischen improvisiertem Zelt und rohverputztem Backsteinhaus und ist ein durch die Medien viel gehandeltes Zeichen für Armut. Dieses Zeichen kann auch stellvertretend für die Palette von Ursachen stehen, welche die Menschen zu dieser Wohnform zwingen. Naturkatastrophen gehören zu diesen Ursachen, die Menschen entwurzeln und in die Peripherie von Städten treiben.
Würde man dieses Szenario auf die Stadt Bern übertragen, siedelten sich die Flüchtlinge beispielsweise im unverbauten, stadtnahen Aare-Tal an. Hier wären sie wiederum von Naturgefahren wie Erdrutschen oder Hochwasser bedroht.
Die Installation "Nothütten, standardisiert" spielt auch an auf eine Tendenz in der Architektur, einmal bewährte formale Rezepte unverändert oder leicht modifiziert immer wieder anzuwenden. Speziell Einfamilienhäuser eignen sich weltweit sehr gut dazu, "ab der Stange" und oft in gleichförmigen Siedlungen verkauft zu werden. Mit ihrer nüchternen Normiertheit muten sie so industrialisiert an wie Überseecontainer. Diese Architektur ist beliebig austauschbar, passt sich nicht an ortsspezifische Verhältnisse an und erfüllt durch den relativ günstigen Preis einer breiten Masse den Wunsch nach dem eigenem Haus. Die Verwirklichung dieser Eigenheim-Träume ist eine Ursache für den ungebremsten Landverbrauch in der Schweiz. Sei es, dass die Menschen aus Not oder aus Wohlstandsgründen auf die Naturgebiete einwirken: die standardisierten Nothütten sind ein stummes Symbol für eine sehr gegensätzliche Welt.
Patrick Klötzli und Muriel Baumgartner 2010, Text im Ausstellungskatalog "Kunst am Wasser", Bern
„(...) und das rareste zeiget sich unden beym Winterhaus, da siehet man eine Menge der raresten Indianischen und Americanischen Gewächsen.“ Mit diesen Worten drückte der Chronist Nicolin Sererhard um 1740 seine Bewunderung für die exotische Pflanzenwelt des Gewächshauses aus, das den privaten Barockgarten der Bündner Herrschaftsfamilie von Salis zierte und schweizweit für viel Aufmerksamkeit sorgte. Im heutigen Fontanapark zeichnet ein Laubengang das Volumen der ehemaligen Orangerie und steht somit in Relation zu dieser historischen Begebenheit. Daran knüpft Muriel Baumgartner an und schafft ihrerseits im Fontanapark einen Lebensraum für Raritäten der besonderen Art: Ausgewählte Unkrautsorten, die während der Dauer der Ausstellung im Park natürlich und daher konzeptlos wachsen, respektive vom Gärtner gejätet und vernichtet würden, werden in einem von der Künstlerin konstruierten Spezialtrakt im Laubengang wieder eingepflanzt – einem Refugium für unerwünschte Lebensformen. Nach Pflanzensorten gruppiert und wie in einem botanischen Garten mit mehrsprachigen Namensschildern beschriftet, erhalten die normalen Schweizer Unkräuter den Status exotischer Gewächse. Der ansonsten im Park im Keim erstickte Wildwuchs wird in Baumgartners Intervention als artenvielfältiges Sondergewächs präsentiert, das vom Besucher beim Eintritt in die Planenkonstruktion bewundert werden kann. Zu Beginn der Ausstellung sind die Beete nur spärlich bepflanzt, werden im Laufe der Zeit aber veranschaulichen, was ohne menschlichen Eingriff während sechs Monaten im Park wachsen würde. Der präzisen Aussenraumgestaltung des Fontanaparks, in der Buchsbaum- und Eibenvolumen kunstvoll zu sauberen Kuben herangezogen werden und Wechselflor in die geometrisch angelegten Beete ein- und wieder ausgepflanzt wird, hält Muriel Baumgartner dessen ständig ausgemerzte, artenvielfältige Natürlichkeit entgegen. Die Planenkonstruktion mutet wie ein mobiles Laboratorium an, in dem Pflanzen erforscht und als etwas Kostbares behutsam gepflegt werden. Dass die von Baumgartner geschaffene Biosphäre in der grösseren Biosphäre des Parks angelegt ist, hat dabei durchaus System: In der Künstlichkeit der Anlage bedarf das Natürliche eines besonderen Schutzes.
Muriel Baumgartner ist eine Künstlerin, die meist ortsspezifisch arbeitet, wobei ihr Beitrag im Fontanapark mehr als nur eine räumliche und atmosphärische Korrespondenz darstellt. Aus dem Boden des Parks entsprungen, gewissermassen in ihm geboren ist Sonderausschuss untrennbar und wortwörtlich mit dem Ort verwurzelt.
Nicole Rampa 2012, Text im Ausstellungskatalog "Säen, ernten, glücklich sein", Fontana Park, Chur
Der Titel von Muriel Baumgartners Arbeit Zustand II – sieben nacheinander hoch oben auf die rohe Wand projizierte Fotografien – kommt ganz prosaisch zustande: Weil das Werk in einem kleinen Zyklus zwischen den beiden installativen Arbeiten Zustand I und Zustand III (beide 2009) steht. Man kann diese Tatsache aber auch gezielt verdrängen und den Titel isoliert wirken lassen. Denn es ist immer ein zweiter Zustand – nicht der originale – eines Objekts, der Baumgartner interessiert. Und immer beinhaltet ihre künstlerische Strategie die Veränderung eines Gegenstands durch genüssliches Missverstehen.
Dafür muss sie auch nicht zwingend selbst gestaltend aktiv werden. Für Zustand II genügt es, dass sie sieben verschiedene tragende Säulen eines im Abbruch befindlichen Gebäudes fotografisch aussondert. Die Armierungseisenreste verwandeln sich durch dieses Heranzoomen – wenn man will – in Äste, und das Säulenende, das durch die Abrissbirne eigentlich völlig zufällig geformt wurde, in ein Storchennest. Im Motiv der Ruine interessiert Baumgartner weniger die Patina modernistischer Architektur, anhand derer etwa Cyprien Gaillard die Grenze zwischen Moderne und Postmoderne zu ziehen versucht. Ihr geht es vielmehr um die Grenze zwischen gebauter Zivilisation und Natur.
Zustand II funktioniert nicht nach dem bewährten Prinzip künstlerischer Arbeiten, die die Rückeroberung des von der Zivilisation besetzten Territoriums durch die Natur herbeifantasieren. Baumgartner macht sich nur zunutze, dass eine Abrissbirne und ein Storchenschnabel ganz ungeplant sehr ähnliche architektonische Resultate hervorbringen können. Und dies, obwohl die beiden Werkzeuge nicht nur formal, sondern auch von ihrer Symbolkraft her grundverschieden sind: Das Rückbauinstrument einerseits, das auch als sprachliche Metapher für allerlei materielle und immaterielle Zerstörung verantwortlich gemacht wird, und der Storchenschnabel andererseits, in dem immerhin im Volksglauben neugeborene Kinder zu ihren Eltern gebracht werden. Der Zustand II ist folglich nicht nur einer zwischen Zustand I und Zustand III. Er ist auch eine Situation zwischen Rück- und Aufbau, Ende und Anfang – oder schliesslich zwischen Geburt und Tod.
Daniel Morgenthaler 2010, Text im Ausstellungskatalog "Yesterday will be better", Aargauer Kunsthaus, Aarau
Man darf das "made" in "Readymade" heute auch etwas wörtlicher nehmen. Die eigentliche Tätigkeit, das "Machen", besteht nicht mehr nur aus der simplen Platzierung eines Objekts in einen unverkennbaren Kunstkontext, sondern auch aus der aktiven und unverfrorenen Manipulation des Gegenstands. Für ihre Arbeit "Ohne Titel" von 2009 hat Muriel Baumgartner einen ikonischen schwarzen Schirm umgestülpt, wie es sonst nur ein starker Wind tun könnte. Weiter hat sie, ganz ohne Hinzunahme von weiterem Material, die Bestandteile so auseinander- und wieder zusammendividiert, dass das Objet trouvé am Schluss eher einer aufklappbaren Vorrichtung zum Wäschetrocknen als einem Schirm gleicht.
Während in Baumgartners Werkkomplex "Zustand I bis III" jeweils eine Arbeit für einen Zustand steht, kommt es hier zum Zuständigkeitskonflikt innerhalb ein und desselben Objekts: Ein Schirm funktioniert nur bei Regen, eine Wäscheleine nur, wenn es trocken ist. Doch der Kompromiss ist bereits gefunden: Die dreieckigen Stoffbahnen der Schirmbespannung hängen nun einfach wie Trauerwimpel zum Trocknen aus. Der Kreis der neugewonnenen Funktionsfreiheit schliesst sich: Vor Regen schützt der Schirm zwar nicht mehr, dafür trocknet er schneller; gleichzeitig besetzt der schwarze Stoff die Wäscheleinenlänge und verhindert, dass andere Wäsche daran aufgehängt wird.
Daher funktioniert das Objekt umso besser als Projektionsfläche für weniger nahe liegende Assoziationen. Es erinnert etwa auch entfernt an ein in Mitleidenschaft gezogenes Bäumchen. Während aber die Säulen in Baumgartners Arbeit "Zustand II" auf Störche zu warten scheinen, wären auf diesem Pflänzchen unheilbringende Raben eindeutig besser platziert. Es würde deshalb auch gar nicht schlecht ins düstere Bühnenbild von Samuel Becketts Theaterstück "Warten auf Godot" passen, das mit genau einem Baum besetzt wird. Zumal der Ursprungsgegenstand des schwarzen Schirms ein sehr theatralisches Objekt ist und in keinem Kostümfundus fehlen darf. Genau wie die schwarze Melone, die in Becketts Stück eine wichtige Rolle spielt. Beide Requisiten gehören – neben der Pfeife – auch zum ikonischen Bildinventar René Magrittes. Baumgartners Schirmobjekt ist also letztlich auch nur so funktionslos, wie das absurde Theater und der Surrealismus sinnlos sind.
Daniel Morgenthaler 2010, Text im Ausstellungskatalog "Yesterday will be better", Aargauer Kunsthaus, Aarau
Bei den Grundfesten des Helmhauses, die einseitig in der Limmat stehen, sind zwei Stahlstangen in den Flussboden gerammt. An der daran aufgespannten Wäscheleine hängen weisse Wäschestücke, die in halber Tiefe in der Strömung flattern. Sie reflektieren den grünen Ton des Limmatwassers. Erzählen diese häuslichen Textilien im öffentlichen Raum von einer Zeit, in der die Stadtbewohnerinnen den Fluss für alltägliche Zwecke nutz- ten, lang bevor das Limmatquai zur Einkaufsmeile wurde? Die Künstlerin hat die bewegte aquatische Installation im Tauchanzug gefilmt und die Aufzeichnung gespiegelt im oberen Stock des Helmhauses projiziert. In der Verkehrung erhalten die Bewegungen von Wasser, Wäsche, Strudel und Spiegelung eine fast gespenstige, wunderbar poetische aber vorge- gaukelte Richtigkeit. Die logische Wahrnehmung von oben und unten ist verunsichert. Mit minimalen Mitteln schafft es Muriel Baumgartner mit diesem künstlerischen Eingriff geschlechterspezifisch und spannungsvoll die geschichtlich-kulturelle Interaktion mit der natürlichen Lebensader Limmat herzustellen.
Ursula Biemann 2013, Jurymitglied Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich
Der Ort
Der Kunsthof in Zürich ist eine Institution für Gegenwartskunst im Aussenraum und wird vom Studiengang Bildende Kunst der Zürcher Hochschule der Künste kuratiert. Städtebaulich gesehen ist der Hof eine Baulücke zwischen den Häusern Limmatstrasse 46 und Hafnerstrasse 39. Zur Strasse hin ist er durch eine Betonmauer mit einem doppelflügigen Eisentor begrenzt. Im hinteren Teil wird er durch eine Steinmauer abgeschlossen. Die graue Farbe dieser Mauer ist an einigen Stellen abgeblättert und hinterlässt dort runde und ovale Musterungen und feine Vertiefungen. Der Boden wirkt lebendig und natürlich. Er besteht aus verschieden farbigen Kieselsteinen, Bodengewächs und sandigen Flächen. Der Ort sieht aus wie das, was man üblicherweise eine urbane Brache nennt: das Haus, das hier früher einmal gestanden hat, ist abgerissen, ein neues noch nicht in Sicht. Der Kunsthof scheint in einem Zustand zwischen ehemaliger und zukünftiger Nutzung auszuharren. In diesem "Zwischendasein" wirkt der Hof wie sich selbst überlassen, als passierte alles von allein, ohne stadtplanerisches oder gartenpflegerisches Zutun.
Doch wie andere städtische Brachflächen auch, ist dieser Ort keine echte Brache, nicht wirklich ungenutzte Fläche, sondern nur mit den äusseren Merkmalen einer solchen ausgestattet. Er wird genutzt und hört damit auf, Brache zu sein. Dennoch scheint die Vorstellung eines sich selbst überlassenen Ortes wichtig. Da schwingt die Idee des Authentischen, nicht Konstruierten mit. Brachliegende Flächen sind Leerstellen in der sonst dicht verplanten Stadtlandschaft. Leerstellen, die das Potential der Unbestimmtheit bereithalten. Sie bieten Möglichkeiten der vielseitigen Nutzung und sind vielleicht gerade deshalb für künstlerische Arbeitsweisen und Umfelder interesseant.
Das Kunstwerk
An diesem Ort nun stellt Muriel Baumgartner ihre Installation "waste" aus. Bruchstückhafte Mauerteile ragen aus dem Boden, einzelne Mauersteine sind über den Hof verteilt. Alle Mauerstücke sind im selben mittleren Grau eingefärbt. Die versiegelten Oberflächen sind glatt, glänzend und kalt. Die Ränder der Fragmente sind eigenartig und auf unnatürliche Weise geformt. Bruchkanten orientieren sich entweder präzise entlang einzelner Fugen, so dass Treppenformen entstehen, oder verlaufen als saubere, schräge Schnitte durch mehrere Steinreihen. Kein einziger Stein ist unregelmässig zerbrochen oder bröckelt. Trotz der zerklüfteten Form bleibt das Mauerensemble überschaubar. Man merkt, wie jeder Schnitt, jede Form, jedes Teil genau bedacht ist, beinahe mathematisch konstruiert. Mühelos liesse sich die Installation auf Millimeterpapier übertragen. "waste" erinnert an Playmobil-Spielzeug, das seine Unverkennbarkeit durch die Plastikanmutung und durch die vereinfachte und schematische Darstellungsweise der Realität erhält. Als wären die Mauerfragmente im Kunsthof normierte Formteile aus der Kunststoffverarbeitung.
Tatsächlich bestehen die Mauerteile aus MDF-Platten, die zu Hohlkörpern zusammengeschraubt und anschliessend lackiert wurden. Eingefräste Rillen erwecken den Anschein von Fugen und Mauerwerk. Und dennoch: "waste" zielt eindeutig auf Künstlichkeit ab. Es geht um fake: So orientiert sich die Künstlerin mit ihrem Mauerimitat zwar an einer echten Steinmauer, nämlich jener oben erwähnten Rückwand des Kunsthofes, doch versucht sie eben nicht, deren natürliche Anmutung nachzubilden, sondern rückt die künstliche Mauer möglichst weit vom Original ab und unterstreicht deren synthetischen Charakter.
Das Ensemble im Kunsthof ähnelt einer Ruine: prototypisch ist da ein verlassener Ort, ein Stück brachliegende Fläche, einzelne Mauerreste stehen verloren in der Gegend herum. Sein romantisches Vorbild zeigt darüber hinaus Spuren starker Verwitterung, poröses Gestein, von Pflanzen überwuchert und dem Zerfall preisgegeben. Es sind zwei Vorstellungen, die mit der Ikonografie der Ruine verknüpft sind: Die der Vergänglichkeit menschlichen Daseins und die der Authentizität. Ersteres verbildlicht sich im Moment des Zerfalls, als Verweis auf Vergangenes. Zweiteres in der Natur, die die Gebäude einnimmt und beherrscht. Die Morphologie des scheinbar Natürlichen vermittelt Echtheit, eine ewige Echtheit, die den Menschen nicht braucht. Hier scheint der paradiesische Aspekt auf, den wir der Natur, möglichst der unberührten Natur, stets zusprechen. Ruinen, als Orte, die zumindest teilweise der Menschenwelt enthoben sind, funktionieren als Sehnsuchtsorte und Projektionsflächen. Sie sind märchen- und mythenhafte Gebilde, die unsere Phantasie anregen.
Die Ruinen-Analogie von "waste" bleibt auf halber Strecke stecken. Es fehlt die Patina, der verwitterte Stein, die moosbedeckten Flächen. Zwar führt Muriel Baumgartner das Schema einer Ruine vor, doch bleibt auch hier der fake offensichtlich. Die synthetische Anmutung des Werkes, die auf das romantische innere Bild der Ruine trifft, erzeugt ein Spannungsfeld. Seine Pole sind die Begriffspaare Vergangenheit und Gegenwart, natürlich und künstlich.
Synthese
Bei allen Überlegungen zu "waste" wird eines deutlich: Ort und Kunstwerk hängen zusammen. Die Attribute der Ruine lassen sich leicht auf den Begriff der Brache übertragen. Beide evozieren die Vorstellung von Vergänglichkeit und Naturverbundenheit. Beides sind offene Orte mit hohem Imaginationspotential. Die Thematiken sind verwandt. Dabei führen sowohl der Ort als auch das Kunstwerk nur Schemata vor, ohne echte Ruine, oder echte Brache zu sein. Formal ähneln sich Ort und Kunstwerk durch Mauerformen und Farbigkeit. Kontraste bilden sich zwischen der synthetischen Anmutung von "waste" und dem organischen Charakter des Kunsthofes. "waste" macht den Kunsthof als Ort sichtbar und bewusst. Beide müssen zusammen gesehen werden. Muriel Baumgartner schafft damit ein Stück ortsbezogene Kunst, die auch im Kontext von Kunst im öffentlichen Raum in Zürich gedacht werden kann. Der Städtebauhistoriker Angelus Eisinger fordert, Kunst im öffentlichen Raum solle die Aneignung des Raumes attraktiv machen (1). Solche Aneignung setzt eine Wahrnehmung des Raumes zuallererst voraus. Indem sich die Reflexion über "waste" leicht auf den Kunsthof übertragen lässt, schafft Muriel Baumgartner ideale Voraussetzungen für diese Wahrnehmung. Kunst im öffentlichen Raum sei ein "anregendes Statement zu einer schon existierenden Realität" sagt die Künstlerin Monica Bonvicini über ihre Arbeit. Es ginge darum, "die Leute darüber zum Nachdenken anzuregen, wo sie sich befinden, was sie tun und warum" (2). Sie formuliert damit den Anspruch des Ortsbezugs an die öffentliche Kunst. Findet dieser statt, ist es möglich, Beziehungen herzustellen zwischen Orten und Gebäuden, Umgebung, Innen und Aussen, Nutzung, Geschichte, Gegenwart und schliesslich den Menschen der Orte. Mit der Installation "waste" schafft Muriel Baumgartner solche Beziehungsgeflechte.
1 Vgl. Christoph Schenker, Michael Hiltbrunner (Hg.):
Kunst und Öffentlichkeit. Kritische Praxis der Kunst im Stadtraum Zürich, 2007, S. 56
2 Vgl. ebd., S. 62, 68
Anne Schuh 2007
Verwendete Slogans: | |
How many companies would you bleed for? | Hewlett Packard 2004 |
Always looking ahead | Verbatim 2001 |
Who are you? | Nintendo 2003 |
Have you got what it takes? | Amiga 1993 |
What do you have to say? | Hewlett Packard 2008 |
Stop talking, start doing | IBM 2009 |
Go further, faster | Netapp 2008 |
Upgrade yourself | Packard Bell 2002 |
Put your life on it | Western digital 2000 |
Lead. Don't follow | Anlink 2003 |
It's you | Yahoo 2009 |
What happens is in your hands | AOL 2003 |
When you need more | Bell microproducts 2000 |
Accept no limits | Olympus 2006 |
Now you see it - now they don't | 3M 2005 |
Feel free | GMX 2006 |
Love to lead | Toshiba 2007 |
Bringing Clarity to your life | Windows Vista 2005 |
Life's a game | Nintendo 2003 |
The game is just the start | Playstation 2009 |
Playing is believing | Nintendo 2006 |
Be fearless | Symantec 2006 |
Believe | Yahoo 2003 |
We hear you | Acer 2000 |
We take you there | Garmin 2006 |
What if you could | NXP 2006 |
Now you can | Microsoft 2003 |
Yes, you can | Microsoft 2001 |
Yes | Intel 2002 |
«Upgrade Yourself ». Nintendo, Hewlett-Packard, IBM, Amiga, Bell, Toshiba - so die Namen einiger weltweit tätiger Firmen der Computerbranche, die mit Slogans wie diesem global für Produkte und Dienstleistungen werben. Gerade bei internationalen Grosskonzernen spielt der Slogan als Hauptelement einer schnellen Identifikation mit einer Marke eine zentrale Rolle. Zweck dieser Slogans ist aber zunehmend nicht mehr nur das Hervorheben spezifischer Qualitäten eines Produktes oder eine Profilierung gegenüber der Konkurrenz. Vielmehr machen die Slogans in einer allgemeinverständlichen und metaphorisch höchst aufgeladenen Sprache das Versprechen eines metaphysischen Wertes, suggerieren einen «Lifestyle». Werden sie allerdings aus dem Kontext der schnelllebigen Konsumwelt herausgelöst, reflektieren sie nicht nur die Grundbedürfnisse des Menschen, sondern zeichnen auch - in überhöhter Weise - das Bild einer Konsumgesellschaft, in der Selbstverwirklichung, Leistungsfähigkeit, Gewinn und Attraktivität erstrebenswert sind.
Tausende von Slogans dienten Muriel Baumgartner als Material der eigens für die Ausstellung geschaffenen Arbeit «How many companies would you bleed for?». Im Sinne einer gezielten Montage hat sie aus den Slogans Gedichte komponiert. Durch die Rückführung der Slogans in ihre ursprüngliche Form - in kurze, poetische Einheiten, in Teile einer potentiell fortwährenden Erzählung der Konsumgesellschaft - macht sie diese neu lesbar. Durch das Neuarrangieren der Slogans zum Gedicht entsteht eine Logik, welche die von der Konsumwelt vermittelten «Werte» zur Pathosformel verdichtet. Zwischen den Zeilen wird eine Rhetorik der Macht, der Kontrolle, der Selbstüberhöhung und der Grenzüberschreitung deutlich und erhält durch den fortwährenden Imperativ und das Ansprechen des anonymen Empfängers totalitäre Züge. Um diese Lesart zu unterstreichen, inszeniert Muriel Baumgartner den Ausstellungsraum als Resonanzkörper und benutzt die bereits existierende, «sakrale» Autorität des White Cube, um ihn mit installativen Mitteln als kultischen Raum aufzuladen.
Muriel Baumgartner (*1976, Zürich) hat an der Zürcher Hochschule der Künste studiert und bereits zahlreich in der Schweiz ausgestellt. Ihre Arbeiten zeichnen sich häufig durch eine hohe Ortsspezifität aus. Oft nutzt sie das Format der Ausstellung als Möglichkeit, neue Arbeiten in Reaktion auf gegebene Bedingungen zu entwickeln. Ihre Arbeitsweise bedient sich einer Vielzahl künstlerischer und handwerklicher Praktiken und umfasst gezielte räumliche Interventionen genauso wie Produktionen von gesamten Environments.
Martin Waldmeier 2011, Saaltext zur Ausstellung "Im Angesicht der Tatsache", Stadtgalerie, Bern
06-09 | Studium bildende Kunst an der ZHdK |
ab 97 | wohnt und arbeitet in Zürich |
76 | Geboren in Winterthur |
Gruppenausstellungen | |
2019 | "Scratch your face away", Material, Zürich |
"Music is my beach house", Outside Rohling, Bern | |
"Im Material der Existenz", Ausstellungsraum Klingental, Basel | |
"allerDings", Trudelhaus, Baden | |
"Morgenstund", Hotel Wartmann, Winterthur | |
2018 | "Solid", Galerie knoerle & baettig, Winterthur |
"Ist gut nicht gut genug?", Vögele Kulturzentrum, Pfäffikon | |
"Common Affairs", Zentrum für Gegenwartskunst Nairs, Scuol | |
2017 | "Die Versammlung", Shedhalle, Zürich |
"Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich", Helmhaus, Zürich | |
"Jetzt Kunst No. 5", Marzilibad, Bern | |
"The gang", rote Fabrik, Zürich | |
2016 | "Invasion Manual", Künstlerzeitung, London |
Kunst und Bau Projekteingaben Hornbach und Schütze", Pavillon Werd, Zürich | |
"Neue Kunsthalle Zürich", Kulturweid, Pfingstweidstrasse 63, Zürich | |
2015 | "Invent the future with elements of the past", Hans-Ulrich Obrist, Lucius Burckhardt und 10 Zürcher KünstlerInnen, Cabaret Voltaire und Salon Suisse, Biennale Venedig |
"Konstant in Auflösung", Trudelhaus, Baden | |
"Paradis et Utopies, Ceci n'est pas qu'une exposition", Château de Mézières | |
2014 | "5cm", Ziema Bar, Riga, Lettland |
"Rituale 2", Stadtbad Volkshaus, Zürich | |
"catch of the year 14", Dienstgebäude, Zürich | |
"Kunstkonsum", lokal-int, Biel | |
"Take away", Galerie Chrämerhuus, Langenthal | |
"Jahresausstellung", Station21, Zürich | |
2013 | "Seduktion", ION, Zürich |
"Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich", Helmhaus, Zürich | |
"Die zweite Dekade" Kunsthalle Arbon | |
2012 | "Catch of the year 12", Dienstgebäude, Zürich |
Jahresausstellung Station21, Zürich | |
Gruppenausstellung, kuratiert von DAS SYSTEM, öffentlicher Raum Schaffhausen | |
"Säen, ernten, glücklich sein", ortspezifisches Projekt im Fontanapark, Chur | |
"Exchange",Kunstplattform AKKU, Luzern | |
"durchblicken und abprallen", K3 project space, Zürich | |
"Angela where are you?", Galerie fishpiece, Zürich | |
2011 | "Versuchsanordnung 1", eine ortspezifische Intervention, Transform, Bern |
"Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich", Helmhaus, Zürich | |
"Im Angesicht der Tatsache", mit Esther Kempf, Stadtgalerie, Bern | |
2010 | "Plastische Lücken", Kaskadenkondensator, Basel |
"Yesterday will be better", Aargauer Kunsthaus, Aarau | |
"Nothütten, standardisiert" mit Patrick Klötzli, Kunst am Wasser, Bern | |
"Spekulationen", lokal-int, Biel | |
"Plattform 10", EWZ Zürich | |
2009 | "Minimale", Produzentengalerie Alpineum, Luzern |
"Catch of the year 09", Dienstgebäude, Zürich | |
"Weihnachtsausstellung", Station21, Zürich | |
"Kunstpreis der Nationale Suisse", Kunsthaus Baselland | |
"The audacity of imagination", Galerie Römerapotheke, Zürich | |
"Bachelordiplomausstellung", Güterbahnhof, Zürich | |
ohne Titel, Dienstgebäude, Zürich | |
2008 | "in progress", PROGR, Bern |
"Weihnachtsausstellung", Station21, Zürich | |
"Anniversary Show" Galerie Madonna-Fust, Bern | |
"Jahresausstellung 2/4", bildende Kunst Zürich | |
Einzelausstellungen | |
2018 | "Grill your darlings", Kiosk Tabak, Zürich |
2017 | "constr constr constr", Hochschulcampus, Brugg |
2015 | "D.I.Y. 1", Atelier MYG, Zürich |
2014 | "Hinterzimmer der Behaglichkeit", Kunsthaus Langenthal |
"Svendita totale causa amnesia", Kirchenruine Sta. Maria in passione, Genova, Italien | |
2012 | "Im Garten der Güter", Kunsthalle und öffentlicher Raum Arbon |
2011 | "Eksternalizacija", Totaldobze Art Center, Riga |
"Doppelter Phasenübergang", Kunstkasten Winterthur | |
2007 | "morgen bin ich reich", Migrosbank Zürich-Oerlikon |
"waste", Kunsthof Zürich | |
"Stellwerk Hettlingen", ehemaliges Stellwerk Hettlingen | |
2006 | "Wiedereröffnung des Bahnschalters", mit Andi Domke, ehemaliger Bahnschalter Sumvitg |
"grind down", Station21, Zürich | |
Preise etc. | |
2013 | Atelierstipendium Genua, Stadt Zürich |
2011 | Atelierstipendium Riga, Pro Helvetia |
2010 | Studio Visits 2010, Pro Helvetia |
2009 | Nominiert für den Kunstpreis, Nationale Suisse |
Atelierstipendium Nairs-Scuol, Fundaziun Nairs | |
2008 | Atelierstipendium Paris, Kanton Zürich |
Jurypreis "nondeleted", Foto- und Filmfestival Kunsthaus Glarus | |
Publikationen | |
2016 | "Interviewt", 18 KünstlerInnen-Interviews, geführt von Gilles Fontolliet, 4 kommentierende Texte von Barbara Basting u.a., herausgegeben von Gilles Fontolliet |
2015 | "Invent the future with elements of the past", Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Cabaret Voltaire, Zürich |
"Transform - KunstRaumProzesse", Dokumentation von 4 Versuchsanordnungen, herausgegeben von Franz Krähenbühl und dem Kanton Bern | |
2014 | Katalog zur Einzelausstellung "Hinterzimmer der Behaglichkeit", mit einem Text von Franz Krähenbühl, herausgegeben vom Kunsthaus Langenthal |
2013 | "Mind the gap", Kunsthof Zürich, Materialien und Dokumente 1993-2013, herausgegeben vom Institut für Gegenwartskünste, Zürich |
2012 | "Säen, ernten, glücklich sein", Ausstellungskatalog, herausgegeben von ART-PUBLIC Chur und Luciano Fasciati, mit einem Text von Nicole Rampa |
2010 | "Yesterday will be better", Ausstellungskatalog, Aargauer Kunsthaus, mit Texten von Daniel Morgenthaler |
"Kunst am Wasser", Ausstellungskatalog, Verein Kunst am Wasser, mit Texten der Künstlerinnen & Künstler | |
"Bachelordiplomausstellung", Projektkatalog über die von Studierenden organisierte Diplomausstellung im Güterbahnhof Zürich |